Mittwoch, 24. Juli 2013

The Flu Week

Nach einem entspannenden Wochenende voller Party, Barbecue und Fußball hat es mich Montag-Nacht kalt erwischt! Kopfschmerzen, Nase läuft davon und Ohren unter Druck. Schlafen war nur teilweise möglich. In Folge dessen habe ich mich zwar in die Schule geschleppt, mein Energielevel war aber des Unterrichtens nicht hoch genug. Dank dem Einsatz einer Lehrerin, die sehr zuvorkommend Medikamente für mich besorgte, geht es langsam bergauf. Der Dosierung der Medizin traue ich aber nicht wirklich - 8 Tabletten plus 8 Drops am Tag scheint mir doch etwas zu viel.
Vor allem in Sachen Krankheit und Heilpraktiken zeigen sich die schwerwiegenden Unterschiede zwischen unserer und der afrikanischen Gesellschaft.
Als meine Schüler mitbekommen haben, dass sich bei mir eine Art Michael Jordan Flu Game Sickness eingestellt hat, schlugen die mir vor, lieber zu Gott zu beten als einen Besuch im Krankenhaus oder beim Arzt vorzuziehen. "Prayers to God will help you 1000-times more than medicine!" Kraftlos eine solche Soll-ich-dir-jetzt-mal-die-europäische-Ansichtsweise-auf-solche-Dinge-Debatte zu beginnen, nickte ich das Argument ab. Am Ende des heutigen Schultages machte aber eine weitere Kuriosität auf sich aufmerksam, die nicht unkommentiert bleiben soll.
Der Aufklärungsunterricht, nur für die Mädchen der siebten Klasse zugänglich, wurde glücklicherweise von Julia mitverfolgt und sie berichtete mir was die (Vorsicht jetzt kommt's !) Studenten von der hiesigen Universität unseren Kindern mit auf ihren weiteren Lebensweg gaben:

1. Sex vor der Ehe ist ein völliges No-Go!
2. Man braucht auch nicht wirklich einen Lebenspartner oder Freund ...
3. Infos zur Verhütung? Fehlanzeige!
4. Infos zu AIDS oder anderen STIs? Keine Chance!

Wow! In einem Land, indem durchschnittlich fast jeder 4. Einwohner an AIDS erkrankt, ist das echt schockierend. Diese Unterrichtseinheit nennt sich wirklich "Aufklärung" und wird von jungen Leuten meines Alters durchgeführt, die eigentlich gebildet genug sein sollten, um ECHTES Wissen zu vermitteln. Kulturelle Differenzen, verschiedene Ansicht der Wichtigkeit von Religion im Alltag hin oder her, so etwas ist traurig mitzuerleben. Vor allem wenn man betrachtet, dass diese Unwissenheit über AIDS und STIs in vielen Schichten und Generationen verankert ist und wirkliche "Aufklärung" nur schwer an Großteile der Bevölkerung heranzubringen ist.

Summary vom Wochenende:
Am Freitag ging es wieder einmal auf die Piste und im Midnight (unserem Stamm-Club) schlugen mir die Preise der Getränke gehörig auf den Magen. Einfach gesagt: Zu einem doppelten Wodka mit Sprite für umgerechnet 0,84 Euro kann man(n) einfach schlecht "Nein!" sagen. Unser geschlossenes Gruppen-Trinkverhalten ging soweit, dass dem gesamten Club das Sprite ausging.
Den Hang-over am Samstag-Morgen bekämpfte ich mit 10 km Joggen und einem Besuch in der Mooiriviermall. Nach stundenlangem Hin-und-Her habe ich jetzt auch ein funktionierendes Handy. Allerdings kommt mein HTC mit der schlechten Netzverbindung nicht zurecht und ich musste mir ein neues "Smartphone" zulegen. Kein Problem denkt sich der Schwabe und kauft sich einfach eins! Ich bin jetzt Besitzer des unglaublichen, leistungsstarken, einzigartigen und wahnsinnig bewundernswerten Nokia 105. Das smarteste Feature ist die integrierte Front-Taschenlampe, die ganz ehrlich echt praktisch ist. Infrarot, Bluetooth oder geschweige denn Speicherkarte sind Fehlanzeige, aber wenn das Handy runterfällt kann ich mich sicher sein, dass eher der Boden kaputt geht als das Nokia selbst.
Am Samstag-Abend ging es dann in Richtung Township. Lagerfeuer, Sternenhimmel und Musik von Rick Ross über einen 15 Jahre alten PC. Die Menschen hier in der Gegend sind zwar arm, können sich aber dennoch gewisse Dinge leisten. Oft aber fällt der Strom aus und die Ansammlung an Wänden und Mauern kann man kaum als Haus bezeichnen. Trotzdem sind die Menschen hier dankbar für das, was sie besitzen und erfreuen sich an den kleinen Dingen des Alltags. Immer für einen Scherz zu haben und völlig ohne Allüren. Auch hier gab es verschiedene Ansichten von Alltagssituationen zu erleben, aber nicht mit so hohem Stellenwert wie oben geschildert. Die männlichen Schwarz-Afrikaner weigern sich nämlich mit jeglichen anderen männlichen Personen, egal welchen Verwandheits- oder Freundschaftsgrades, in einem Doppelbett zu schlafen. Für uns Europäer, die im Familienurlaub oft mit ihren Geschwistern oder Cousins genächtigt haben, nicht nachzuvollziehen. Die Erklärung, dass jedes Zimmer der Welt groß genug ist, um zwei Schlafplätze zu organisieren, blieb ums im Verlauf des Abends allerdings schleierhaft.
Dennoch bleibt als Fazit nur zu sagen, dass genau solche Abende und Gespräche es wert sind ein anderes Land zu besuchen und mir vor Augen führen, dass es die richtige Entscheidung war hierher zu kommen und solche Erfahrungen zu sammeln und weiterzugeben.
Der Sonntag wiederrum stand ganz im Zeichen des Fußballs. Staff-Member gegen das Team der ältesten Mädchen hieß die Begegnung. Allerdings blieb der Spaß-Faktor auf einem eher geringen Level, da die Partie zeitweise eher an Hühnerhaufen gegen taktisch hochausgebildete deutsche Kampfmannschaft erinnerte. Das Erzielen des ersten Tores unserer hochüberlegenen Mannschaft übernahm ich in der 2. Minute höchstpersönlich. Nach einem perfekt ausgeführten 20-Meter-Sprint, mit dem ich meine drei Verteidigerinnen verdattert hinter mir ließ, schlenzte ich die Pille mit einem gefühlvollen Innenrist Schuss ins lange Eck. 1:0 für die Staff-Member! Nach 75 Minuten und einem, dem Spielverlauf nicht entsprechenden 6:3, endete die Partie komischerweise mit Elfmeterschießen. Das entschieden unsere weiblichen Mitspielerinnen auch noch für sich.
Das Wochenende war also ein Erfolg auf ganzer Linie sowohl sportlich als auch menschlich.


Random Notes:
- Habe gerade noch (von südafrikanischer Medizin gepusht) 90 Minuten Fußball gegen eine Arbeiterauswahl gespielt. Alexandra würde jetzt mit Recht sagen: "OOOOHHHHH! Typisch Mann...!" Aber ich kann nichts dagegen tun, wenn zu weniger Spieler da sind muss man spielen.
Fußballer-Ehren-Kodex.
Unnötigerweise habe ich auch noch eine unwichtige Grätsche auf dem seit 4 Monaten nicht gewässerten Rasen gemacht und habe jetzt eine handflächengroße Brandwunde am Oberschenkel. Dumbass! Die meisten Meter auf dem Feld habe ich in unserem hässlichen 2:1 Sieg auch gemacht, was meiner Grippe sicher nicht weiterhilft aber meinem Ego. An einem Tor war ich aktiv zwar auch nicht beteiligt, aber unsere Laufwege in der Offensive haben teilweise nicht gestimmt und (vgl. Welcome to South Africa) mit dem Passen haben es meine südafrikanischen Mitspieler nicht so.

- Die Preise für Hip-Hop-Beats produziert im Township sind unfassbar hoch und orientieren sich nicht am Angebot und Nachfrage Prinzip. Nachfrager (in unserem Fall Hip-Hop-Fan Kai) wollte von einem Anbieter (hier der Verwandte von unserem Gastgeber Jack) ein paar Hip-Hop-Beats für seinen rappenden Cousin kaufen. Der Anbieter, der seine Freizeit dem Beats-Bauen widmet, erwartete allerdings für 20 Songs 10.000 Rand (1.000 Euros), was Nachfrager Kai sichtlich abschreckte und das Geschäft platzte. Schade eigentlich, weil das Studio, in dem Anbieter X produziert so viel Underground Flair hat und außer Nachfrager Kai gibt es keinen, der jemals mit Anbieter X kooperiert hat. Verhandelbar war der Preis auch nicht, was zeigt, wie unflexibel die afrikanische Hip-Hop-Beats-Verkauf-Wirtschaftslage ist.

- In einem neuen, für meinen Gesundheitszustand sehr gefährlichen Experiment, werde ich die Wirkung meines neuen Lieblingsnahrungsmittels Peanut Butter auf einen mit Alkohol gefüllten Körper austesten. Testphase 1 ist der sofortige Peanut Butter Verzehr nach dem Alkoholexzess. Phase 2 beinhaltet den Verzehr am Morgen danach und Phase 3 erforscht die Wirkung komplett ohne P-Butter. Welche Phase am Ende die richtige ist oder ob überhaupt ein Fazit möglich ist, dazu gibt es in den kommenden Wochen mehr Infos.

- In Südafrika benutzten die Menschen keine Tempotaschentücher. Das bedeutet man benutzt einlagiges Toilettenpapier als Taschentuch. Hierbei wird allerdings die Haut, welche um die Nase herum liegt, sehr beansprucht und noch angreifbarer als sie schon ist.

- Das neue Jay-Z Album Magna Carta Holy Grail ist unfassbar geil! ... musste mal gesagt werden.



3 Kommentare:

  1. Das Theorem des afrikanischen Hip-Hop-Doppelmonopols! ... wird im nächsten Kurs aufgegriffen! :)

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  2. Erstmal Gute Besserung Bub.
    Weiterhin bin ich wie ermix begeistert von deiner wirtschaftlichen und auch gesellschaftlichen Analyse. Besonders gefällt mir deine gesellschaftskritische Sichtweise, die es erlaubt einen Blick hinter das Entwicklungsland Südafrika zu werfen und Ansatz zum Nachdenken bietet. Vielleicht ändert sich ja so manches durch dein Aufenthalt. Mr. JJ 4 President auf jeeeeden!

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  3. The Flu Game --> Geiler Link ! Danke dafür, gute Unterhaltung ist in der heutigen Welt nicht einfach zu finden...(hast ja vorher über Skype gesehen. ;)
    Weiterhin gute Besserung! Pres 4 President!

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