Freitag, 5. Juli 2013

Welcome to South Africa

Townships, Hot Dogs, Basketball.

Dank der Ankunft von Kai (einem 2 Meter Hünen mit baggy Jogginghose) und seiner Truppe, blieb mein erster freier Tag nicht lange ruhig. Im Handumdrehen fand ich mich in einem heruntergekommenen Taxi-Van wieder, welcher vom schwarzen Taxifahrer unseres Vertrauens souverän durch den Linksverkehr manövriert wurde. Es stellte sich heraus, dass Taxifahrer George nicht nur der Fahrer unserer Truppe sondern auch ein guter Freund der Freiwilligen ist. Aufgewachsen ist George in einem der Townships der Stadt. Von seiner Großmutter aufgezogen, schlägt er sich irgendwie durchs Leben, ohne jemals die positive Einstellung zum Leben zu verlieren. So begegnet er auch mir und stellt sich im Laufe meiner ersten Woche als wahrer, echter Mentor dar.
Über einen Spar und mehrere immer gleich aussehende Straßen geht es in Richtung eben jenes Townships,  in dem George aufgewachsen ist. Die Fahrt endet an einem Platz, dem so genannten "Carwash". (Früher gab's dort anscheinend wirklich mal so etwas wie einen Wasserschlauch und Equipment, um ein Auto notdürftig vom Staub zu entfernen... jetzt steht nur noch eine Überdachung.) Drum herum stehen mehrere Hütten, eine davon die von Georges Großmutter. Diese Hütte hat zwar Betonwände und Boden, aber das Dach ist das, für diese Teile der südafrikanischen Städte, typische Wellblech. Ausgestattet mit einem Fernseher, Strom und Herd, aber doch nur geschätzten 20 Quadratmetern Wohnfläche besitzt die Hütte noch ein Plumpsklo hinterm Haus und das war's dann auch. Kulturschock Level 80, wenn man bedenkt, dass dieses Township noch eines der weniger verarmten der Stadt ist.
Eine Weile später sitzen ein Weißer, drei weiße Frauen und ein Schwarzer, um ein Holzbrett herum. Das Spiel (eine Abwandlung von "Mensch ärgere dich nicht") gewinnt am Ende - wer hätte es erwartet - der Afrikaner. War es verdient? Keine Ahnung! Hat er fair gewonnen? Weiß ich nicht! Hast du überhaupt die Regeln verstanden? Ein bisschen! Kai liefert sich während unserer Niederlage ein umkämpftes Schachduell mit einem Bewohner des Townships.
Am Ende des Tages landen wir noch in einer Art Spielhölle mit Tischkicker, Pool-Billard und mehreren Spielautomaten. Das Klientel ist zu 100% schwarz-afrikanisch, aber die meiste Zeit uns gegenüber gut drauf. Nur das Verlieren, das können unsere Freunde am anderen Ende der Welt so wenig wie wir.

"Welcome to Africa, shit gets stolen here every time!" - so lautet des Resümee meines ersten Clubbesuches. Entwendet wird laut Kai, der seit fast einem Jahr schon hier ist, alles was nicht doppelt und dreifach nagelfest und abgesichert ist. Nicht einmal "Zuhause" ist man vor Entwendungen sicher, weil selbst die Kinder, die hier wohnen dürfen, sich alles unter den Nagel reißen. Eine Art Gefangenendilemma also, ob man den Schlüssel zum Zimmer mitnimmt und riskiert ihn im Club zu verlieren oder ob man den Schlüssel hier irgendwo versteckt und riskiert, dass die Kids ihn finden und das Zimmer unsicher machen. Am Ende verstecken wir alle Schlüssel hier, was auch funktioniert hat. Via Taxi George geht's zum Club.
Schon beim Eintreten ist mir die Verwirrung deutlich anzusehen. Eintritt: 10 Rand (1 Euro). Surreal geht es auch weiter. Im Club gibt es 2 Bars, eine Tanzfläche, Tische, Stühle, Barhocker und 2 Billardtische. Somit ein Mix aus verschiedenen europäischen Vergnügungsplätzen in einem vereint. Immer Mittwochs ist Karaoke-Zeit und wer meine Singkünste und empfindlichen Ohren kennt, der weiß wie sehr mir so ein Karaoke-Gedudel zusagt. Somit bleibe ich den ganzen Abend mit George (er sagt von sich er kann weder singen noch tanzen, spielt aber wie eine lauernde Raubkatze Pool) der Tanzfläche und den Hoffnungsträgern der Musikbranche fern. Nach dem besten Hot Dog meines Lebens, vom Midnight-Hot-Dog-Stand vor dem Club, ging es gegen 3 zurück zum Taxi. Dort mussten wir mit Schrecken feststellen, dass die Kleinkriminellen weder von Zentralverriegelungen als von der Schmach das verratzte Taxi eines Landsmannes auszurauben zu stoppen sind. Von meinem Nike-Sweatshirt, welches ich törichterweise im Auto gelassen hatte, fehlte jede Spur. Die Fahrzeugpapiere und Georges Pass waren auch verschwunden. Nicht so schlimm, meinte der, er würde einfach einen neuen beantragen. Als wir verwundert nachfragten, stellte sich heraus, dass die Bürokratie in Südafrika doch nicht soweit fortgeschritten ist, wie ich zu Beginn der Reise vermutet hatte. Dass unsere Pässe ablaufen und wir neue beantragen müssen, erschien ihm utopisch. Insgesamt aber hielt sich der Schaden in Grenzen. Dennoch philosophierten wir auf dem Heimweg über die Hintergründe. Wahrscheinlich doch nur Geld. Bevor wir einen Freund vor seiner Haustüre ablieferten, brachte dieser das oben genannte Zitat, verschwand in der Dunkelheit und ließ mich nachdenklich zurück.


Random Notes:
- in der "Basketball-Schmach von Potch" unterlag ich einem Walter Tigers Tübingen Fan aus Reutlingen im H.O.R.S.E. (der Ball entsprach nicht europäischen Standards, die Sonne blendete, der Korb hatte keine von der FIBA festgelegte Höhe und sein Trash-Talk beeinflusste meinen Wurf-Rhythmus)

- in der "Basketball-Erleuchtung von Potch" musste ich feststellen, dass die meisten kleinen Kinder den europäischen Basketballstil des Passens und des Teamworks nicht verstehen und das Spielfeld eher sehen wie Kobe Bryant (Reality vs Kobe)

- in der "Technik-Erkenntnis von Potch" wurde mir klar, dass die SD Karte (von der ich Lappen kein Backup gemacht habe) meines HTC kaputt ist und sich somit das Posten von Bildern um ungewisse Zeit verzögern wird

- in der "die-anderen-sitzen-grade-in-der-Krone-in-Söflingen-trinken-Eisbock-und-essen-Wurschdsalad-Momentaufnahme" stellte sich heraus, dass es doch einige Sachen gibt die ich hier unten nicht kompensieren kann

- in der "Müsli-Ungeschicktheit von Potch" gelang es mir mein halbes Zimmer mit Cerealien zu übersäen. Nach einer Möglichkeit die Flocken ohne Staubsauger aus meinem Teppich zu bekommen suche ich noch


3 Kommentare:

  1. Sehr eindrücklich geschildert. Fast wie selbst erlebt. Da läuft beim Lesen echt n Film ab. Aber was meinst Du, was uns hier jetzt gleich bevorsteht: Ein survival-adventure-trip mit Rucksäcken und Lappen zu den Aborigines im Bayerischen Wald.... . Würdest Du Dich da auch hintrauen? ;-)

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  2. Servus Jonger,

    was du wieder alles an einem Abend erlebst :)

    Siehst mal, der Dieb hatte wohl den gleichen Geschmack wie Du. Wenn du nach Afrika nicht weißt, was du machen sollst, studiere doch Journalismus oder so etwas. Echt Respekt. Kann mich dem "Coach" nur anschließen.

    Daumen hoch

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  3. Gut geschrieben deine Story. Erlebst ja in den ersten Tagen schon einiges. Pass aber auf dich und deine Sachen auf, bub. Bin ein bisschen entäuscht über deine Horse-Skills, aber ich hoffe du bekommst nochmal eine Chance auf eine Revanche. Selbst in Afrika gibt es Ulm/Tübingen Derbys, Wahnsinn...

    Weiterhin viel Spaß und viele Abenteuer!!!
    Grüße nach Afrika,
    Luis

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