Mittwoch, 17. Juli 2013

Im Schatten Mandelas

Der morgige Donnerstag, 18. Juli 2013, ist im Zeichen des wichtigsten und berühmtesten Südafrikaners geprägt. Zwar steht der 95. Geburtstag von "Tata" unter keinem guten Stern, da sein Gesundheitszustand seit 6 Wochen extrem kritisch ist, aber die Menschen in Südafrika wollen ihrem Volkshelden an diesem Tag sinnbildlich mindestens 67 Minuten Tribut zollen. Zur Erinnerung an die 67 Jahre, die Nelson Mandela selbst seit dem Eintritt in die Politik (1942) in den Dienst der Gesellschaft gestellt hat. So auch an unserer Schule. Dazu aber mehr im nächsten Post.

Vorher eine Momentaufnahme der letzten beiden Schultage.

Der Dienstag begann für mich und meine Klasse "Grade 4B" erstaunlich gut. Meine (und hier sei ein bisschen Eigenlob gestattet) im Internet recherchierten Unterrichtsmethoden kamen gut an und der Matheunterricht lief wie am Schnürchen. Leider kam der übermotivierte Student von der University auf die Idee nach dem vorgeschriebenen Stundenplan zu arbeiten und setzte mir nach der ersten Pause (hier gibt's nur 2 Breaks über den ganzen Vormittag verteilt) eine 6th Grade vor. Diese, da das Schulsystem in Afrika sich in seiner Klassenaufteilung von unserem System unterscheidet, waren voll-pubertierende, unmotivierte, freche, respektlose, ehrenlose (...und was der Dinge mehr sind) Teenies. Mit ihrer eigenwilligen Arbeitseinstellung und der Tatsache, dass von mir erwartet wurde diese Bengel in Englisch (also wie Deutsch in Englisch, also wie bei uns Deutsch nur in Englisch... ihr wisst was ich meine) zu unterrichten, war ich aus meinem Konzept gebracht. Wieder improvisierend schlug ich eine Gruppenarbeit vor:

"Deliver a 5 to 10 minute speech pointing out the benefits of being well-educated.
Choose one member of your group to present your results in front of the class."

Nach kurzen Startschwierigkeiten hatte ich das Gefühl die Kids würden die Sache ernst nehmen und meine Kreativität würde belohnt werden. Eben nicht!

Fehler-Analyse:
1. mein Clock-Management war wirklich awful und ich beendete das Arbeiten viel zu früh

2. Fehler #1 führte dazu, dass einige Gruppen nicht sicher waren, ob das genug Text sei und freiwillig wollte Keiner präsentieren

3. Als sich (nach erstmaliger Monolog-Erklärung, wie wichtig die Werte sind, die ich zu vermitteln versuche) dann doch ein Junge der Aufgabe stellte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen:
Die Teenies können nicht frei von einer Maße von Menschen reden! 25 000 Blackouts und 25 Minuten, geprägt von Stottern und Gemurmel, später folgte mein nächster Fauxpas:

4. Nach dem zweiten Ihr-müsst-euch-doch-durch-irgendwas-auszeichnen-können-wenn-ihr-euren-Träumen-näher-kommen-wollt-Monolog schickte ich die Klasse viel zu früh in die Pause, was zu weiterem Chaos auf dem Pausenhof führte, da die anderen Klassen (geführt von Pädagogik- und Lehramt-Studenten im 6. Semester) nicht konzentriert weiterarbeiten konnten

Eine weitere, in meinem besten Englisch vorgetragene, Ansprache später, war der Tag beendet und meine letzte Aufgabe, das Soccer-Team als Schiedsrichter zu überwachen, war fast schon entspannend.


So frustrierend der Dienstag war, gab es am Mittwoch einige Lichtblicke. Matheunterricht mit der "7th Grade" Klasse? Piece of cake! Konzentrierter und lernbereiter als ihre jüngeren Mitschüler, vergingen die Stunden mit den ältesten Schülern wie im Flug. (Meine aus dem Nichts gezauberten Flow-Charts sind auch aller Ehren wert!) Dann hatte ich irgendwie zwei Freistunden, ob das so geplant war oder nicht keine Ahnung. Zitat von "Miss" Änne am Mittwochnachmittag, ihres Zeichen seit 10 Monaten Freiwillige im Kinderheim: "Willkommen im afrikanischen Schulsystem."
Nach meiner Free-Time ging es für die 4B, meine Standartklasse, und mich an die Vorbereitung für den Mandela-Day. Der Plan: Jedes Kind schreibt einen Brief an den Volkshelden persönlich. Diese werden dann an Helium-Ballons gehängt und dann heißt es hoffentlich: "let it fly!"  Nach Fertigstellung der wirklich liebevollen und süßen Huldigungen wollte ich den Kids ein bisschen Freiraum lassen. Einige schnappten sich Kreide und kritzelten nun Liebeserklärungen an mich (kein Witz! Beweise gibt's in Bilderreihe #2 am Wochenende) an die Tafel. Vom mandelaischen Flair gepackt ließ ich die Kids malen, Brettspiele spielen und was der Dinge mehr sind. Das ging so weit, dass sie sich nur schwer aus dem Klassenzimmer entfernen ließen, obwohl doch schon lang Pause war.
Einziger Wehrmutstropfen des milden Mittwochs war, dass mein Soccer-Team die von mir erwartete 4-3-3 Taktik mit angedeuteter defensiver Raute nicht zu schätzen wusste und lieber Elfmeterschießen trainieren wollte. Allein der interessierteste und talentierteste, deswegen von mir auch als Kapitän eingesetzte, Changes, gab mir Hoffnung, dass wenigstens ein paar Schüler zu schätzen wissen, was ich hier versuche zu vermitteln.
Diese Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden über meine ersten Tage an der Schule. Die meisten Schüler legen eine Art YOLO-Mentalität an den Tag und wollen im hier und jetzt Spaß haben. An die Zukunft oder allgemein Konsequenzen verschwenden sie keine Gedanken. Unter diesen vielen stereotyp-Afrikanern finden sich aber Kids, die brillieren wollen und verstanden haben, was für Chancen sich für sie ergeben können, wenn sie beispielsweise gut genug sind sich einen der wenigen Studienplätze in Afrika zu ergattern.

Diese Unterschiede in der Arbeitsmentalität muss ich wohl akzeptieren, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass ich selbst in diesem Alter nicht die beste Einstellung zum Lernen hatte. Dennoch hat's am Ende fürs ABI gereicht. Aber das ist eine komplett andere Geschichte ...


4 Kommentare:

  1. looking forward to Bilderreihe #2

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  2. Servus,

    du als Lehrer. Kann ich mir gar nicht so vorstellen. Wobei in Entertainment warst du schon immer gut.

    Wenn deine Schüler mal wieder nicht arbeiten wollen, präsentiere ihnen doch mal Markus Dolp.

    Oder gründe eine Theater Gruppe :D


    Random notes aus Ulm:
    - Wetter schön sonnig
    - wir wurden immer noch nicht am Pfuhlen Baggersee gespottet
    - Training besteht aus Josssssef, Laurin, Jo und mir
    - ja ich habe den Abiball überlebt :)

    Freue mich bald wieder was von dir zu lesen.

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  3. Ich bin beeindruckt und stolz auf dich. Tips gibt s natürlich auch: meiner lautet: sei authentisch. Du weißt ja: Authentizität ist nicht nur mein Lieblingswort. Ich bin überzeugt davon. Muss mir deine Monster Blogs vorlesen lassen. Hab leseverbot.

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  4. Gruß von Ernst: Zitat:''man muss nur die Fronten wechseln, dann lernt man in einer Woche mehr als in vielen Jahren.

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